Samstag, 13. August 2011

Die Luft ist rein.

Wieder...
Aber mal langsam und alles der Reihe nach. Gehen wir also zurück zum 1. August. Nationalfeiertag – Zusammentreffen mit dem Schweizer Botschaftsmitarbeiter Mao Schui. Irgendwie passend, oder? Er ist bei unserer Ankunft mit dem Zug aber leider gerade nicht zu hause. Irgendwie unpassend, oder?
Nicht so sehr, denn er muss Platz schaffen, er begleitet seinen vorherigen Besuch an den Flughafen. Wir sind in China, da gibt es viele Leute und man muss sich wohl oder übel an die Massenabfertigung gewöhnen.
Der Plan des Gastgebers geht aber nicht ganz auf. Die Stunde wird verwechselt und der Besuch verpasst somit den Flieger (notiere: bei der Abreise das Timing nicht nur Mao Schui überlassen). Das Unglück ist nicht so gross, wie es scheinen könnte. Mao Schui darf seinen „alten“ Besuch länger als geplant geniessen und wir als „Neue“ kommen in den Genuss von einem wunderbar würdigen 1. August Nachtessen zu viert. Die „alte“, die „neuen“ und der Konstante, also zusammen im Buddhistischen, vegetarischen Restaurant am Tofu und Käsefondue (!!) essen, gloubsch?
Unglaublich, aber der Besuch bei Marco in Peking hatte noch viel mehr Lustigkeiten, Spezialitäten und Entdeckungen zu bieten! Erst einmal der Luxus der uns zu Teil wurde in seiner Wohnung, King –Size Bett, Computer mit ungesperrtem Internet, Waschmaschine, Wasserspender, Musikanlage, Kühlschrank, alles, tutti quanti! Dann die Paulaner Hausbrauerei im Erdgeschoss mit lauter lauten, beschwipsten Chinesen und chinesischen Serviererinnen im Dirndl. Das alleine hätte lange für gute Unterhaltung gesorgt, Marco liess sich aber nie lumpen und hat uns jeden Abend, nachdem wir tagsüber den Grossstadtjungel auf eigene Faust durchforstet hatten, ein super Programm geboten! Mal ein ausgewähltes chinesisches Restaurant mit Spezialitäten, mal ein kleiner, authentischer Imbiss um die Ecke oder auch mal auf dem Dach beim Japaner, alles nach unserem Geschmack! Waren wir mal nicht am Essen, waren wir beispielsweise am Trinken. Guinness beim Iren, Mojito im edlen Wolkenkratzer über der Stadt, Singapur Sling beim Japaner, Tsingtao oder Yanjing zum Apéro. Alles im Mass – ihr kennt uns! ;-)
Ah richtig, es gab wahrlich auch Zeiten, da waren wir weder am essen, noch am trinken. In diesen Momenten waren wir meist am Staunen. Egal wo, irgendwie gab es immer etwas zu staunen. Die verbotene Stadt, die lange dem Fussvolk verwehrt war, der Tiananmen auf dem keiner unbemerkt „Free Tibet“ flüstert, der Himmelstempel in dessen Park zig Chinesen unbeschwert die Mittagspause durchtanzen, oder der Jingshan Park in dem Amateur Sänger inbrünstig ihren Sonntagnachmittag durch singen.
Zu dritt hätte auch die chinesische Mauer bestiegen werden sollen. Alles war gebucht, geplant und vorbereitet. Der Wetterbericht spielte uns aber einen Streich und der anscheinend überseriöse Anbieter sagte die Tour ab. Regen gab es dann aber keinen am Wochenende, dafür dann, als wir ohne Marco die Tour am Mittwoch nach gutem Wetterbericht nachholten. Naja, das kann schliesslich jedem Bucheli mal passieren und dank schützendem Wachturm und Zelt war die Nacht AUF der Mauer trotzdem ein super Erlebnis! Mit vom Regen reingewaschener Luft, gab es dann um halb 5  in der Früh auf der Mauer auf der Lauer  einen höchst stimmigen Sonnenaufgang hinter den grünen Hügeln.
Diesen Sonnenaufgang hätten wir dem Gastgeber auch gerne gegönnt, aber wer Bostschaftsinformatiker sein will, muss halt auch mal arbeiten. Der arme Tropf. Aus lauter Mitleid und Ehrfurcht vor so viel Arbeit, haben wir seiner Hausschildkröte ein neues Aquarium ausgesucht. Können die beiden schon keine Sonnenaufgang auf der Mauer geniessen, sollen sie es doch wenigstens gemütlich haben in ihrem Appartement! ;-) Schildkrötenliebhaber und Terrariumexperten dürfen sich übrigens gerne bei Marco melden, er hat uns gesagt, dass er leidenschaftlich gerne jeden Tipp und jede Anregung, um seiner Schildkröte noch einer schöneres leben zu bieten, entgegen nehmen und prüfen werde.

Zu lange wollen wir eure Zeit nicht mehr in Anspruch nehmen, viele lustige Momente gäbe es noch zu beschreiben, einiges zu schildern. Nur noch dies: Stellt drei erwachsene Personen in eine Wohnung und gebt jedem einen kleinen ferngesteuerten Helikopter – sehr witzig. Empfehlenswert! Ach und dann doch noch das: Wir haben uns einen Nachmittag lang mit dem Mietfahrrad durch die Gassen von Peking geschlängelt, sehr aufregend kommt uns doch der Verkehr in Peking ein bisschen vor wie die UNO. Fällt jemand einen Entscheid (hier die grüne Ampel) kann man sicher sein, ein Grosser legt sein Veto ein (hier zum Beispiel ein Lastwagen). Die Tour also ein cooles Abenteuer – nur die Lungen waren nicht ganz so begeistert. Nun sollte der Bogen zum Anfang geschlossen sein und wir schliessen ab. Ihr habt ja schliesslich noch andere Hobbies. Geht. Schaltet den Computer aus, amüsiert euch.

Wollt ihr trotzdem einen guten Grund, die Zeit weiterhin auch in der Freizeit vor der Kiste zu verbringen, dürfen wir euch gerne die folgenden zwei Blogs empfehlen:

Von zwei unerschrockenen, die das selbe Ziel haben, das wir hatten: Marco in Peking besuchen. Die zwei machen allerdings keine halben Sachen. Ihr Reisen, wie auch ihr Blog bewegt sich auf hohem Niveau. Reisen die zwei doch tatsächlich mit dem Velo von Bern nach Peking! Spinner! ;-) lest mit, unbedingt!! http://2wheelsblog.wordpress.com/

Und dann natürlich der Blog des viel erwähnten Mao Schuis. Er, selbsternannter Schildkrötenliebhaber, Fliessband-Gastgeber und der beliebteste Botschaftsinformatiker der Schweizer Botschaft in Peking unserer Zeit, lest, lest! http://marco.firstiwasblind.ch/
PS „Wer nicht auf die grosse Mauer gestiegen ist, ist kein wahrer Mann." (Mao Zedong).
PPS Marco, merci tuusig für die coolen Tage und verzeih uns die üble Nachrede hier im Blog! ;-)

Dienstag, 2. August 2011

Qingdao

Qingdao - die Schweiz des Ostens, wie es die Chinesen angeblich zu nennen pflegen.
Bei dieser Vorankündigung wussten wir nicht recht, was wir zu erwarten hatten. Holzchalets und Raclettestände dürften es kaum sein, dies war selbst uns recht schnell klar, aber was mag es sein, das einer Stadt zu diesem Übernamen verhilft?

Beim Verlassen des Bahnhofs strecken wir vorsichtig unsere Riecher in die Luft, riechen aber keine saftigen Wiesen oder mild süsse Schokolade... Nein, die Luft ist viel eher geschwängert von frischem und vor allem von nicht mehr ganz so frischem Seafood, von Stinky-Tofu und mit einer Brise Abgas. Dies kann also hoffentlich nicht der Grund für den Übernamen sein, es sei denn, Schilderungen über die Schweiz gelangen so nach China, wie wir es uns nicht wünschen. Unsere Suche nach Hinweisen muss also witergehen. Ganz in der Nähe unserer Jugendherberge gelangen wir auf einen Strassenmarkt, der in uns Erinnerungen an einen Markt in Kambodscha aufkommen lässt. Nach dem Besuch des Marktes in Kambodscha haben wir damals die Toiletten in unserer Nähe für etwa zwei Wochen mit heftigen Niederschlägen beglückt. Der Markt also auch nichts, wo ein Schweizer Lebensmittelkontrolleur seinen Stempel abgedrückt hätte - unsere Ankunft in Qingdao also insgesamt eher ernüchternd und herausfordernd.
Auch die Suche nach Nahrung auf dem Nachtmarkt beschleunigte die Überwindung des kleinen Kulturschocks nicht wirklich. Selbst nach dem Versuch, den Riechkolben auf Pause zu stellen, kommt man nicht so schnell aus dem Staunen. Gibt es im Meer eine Kreatur mit Namen - die Chinesen essen sie.
Frische Fische, getrocknete Fische, gepresste Fische, gegrillte Fische. Seeigel, Tintenfische, Quallen. Und klar, einen Seestern in seiner vollen Grösse zu verspeisen erfordert einiges an Kiefereinsatz, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Was sich dann wirklich nicht verspeisen lässt, kann man dann immer noch als Wandschmuck oder als Spielzeug gebrauchen. Bei den kleinen Schildkröten ist einfach das Problem, dass die sich so nach zwei Tagen nicht mehr so lustig bewegen und dann auch bald zu stinken beginnen. Eine Koralle oder eine getrocknete Meeresschildkröte für an die Wand ist da schon um einiges unproblematischer.
An dieser Stelle haben wir übrigens aufgehört, nach Parallelen zur Schweiz zu suchen. Wir reisen ja schliesslich nicht der Schweiz wegen, sondern der Eindrücke des Fremden wegen, ist ja klar! ;-)
Mit der wiederentdeckten Offenheit konnten wir das Durchstreifen der Stadt auch wieder viel mehr geniessen! So war es beispielsweise sehr spannend, den Einheimischen beim Bierkauf auf der Strasse zu zusehen. Wie schon geschrieben, ist Qingdao die Heimat des Tsingtao Bieres und dementsprechend hat jeder Laden und jedes Restaurant einige Fässer Bier vor der Tür. Die Einheimischen kaufen DIREKT ab der Gasse im Plastiksack. Nein, nicht die Flaschen im Plastiksack, sondern direkt das Bier im Sack! Der Sack wird dann gewogen und bezahlt wird das Bier nach Kilo.
In Shanghai war es schon am Morgen 37,5 Grad, man war also schnell auf Betriebstemperatur und hätte eine Abkühlung dankend angenommen, das Meer war allerdings zu weit weg. In Qingdao ist es fast 10 Grad kühler, dafür hat die Stadt selbst 6 Badestrände. Wir entschieden uns also für eine Nachkühlung der Shanghaier Hitze und liegen einen Tag lang am Strand. Da soll noch einer sagen, wir seien knapp in der Zeit. Jedenfalls haben wir es genossen. Nach diesem Tag nichts tun, haben wir dann fast so gelächelt, wie es die Chinesen die ganze Zeit immer wieder tun. Uns erschienen die Chinesen als sehr freundlich, höflich, unaufdringlich und hilfsbereit. Stossen wir mit unserer Zeichensprache an Grenzen, fragen sie sich auf der Strasse durch, bis sich jemand finden lässt, dem die Klarheit schaffenden englischen Worte in den Sinn kommen. Lächelt man auf der Strasse jemandem zu, wird einem ein herzhaftes Lachen zurück geschenkt.
Bei Sehenswürdigkeiten wird man auch dann und wann von ganzen Touristengruppen schüchtern gefragt, ob man sich nicht mit ihnen Fotografieren lassen würde. Es könnte also durchaus sein, dass es unsere verschwitzten Antlitze auf die eine oder andere chinesische oder mongolische Diashow schaffen könnte.
Ebenso kurzfristig wie wir den letzten Abstecher auf einen Berg abgesagt hatten, haben wir uns diesmal für einen Ausflug auf einen anderen Berg entschieden. Und zwar für einen Tagesausflug auf den nahe gelegenen Laoshan, wir gingen also z'Bärg. Da sich ein Schweizer oben in den Bergen einfach glücklich fühlen muss, waren auch wir glücklich saubere Luft zu atmen und schöne Aussichten zu geniessen.
Zurück in der Stadt, begannen wir dann langsam aber sicher, das quirlige Durcheinander und das lebendige an jeder Ecke zu mögen und zu geniessen. Glücklicherweise ein grosser Kontrast zum aufgeräumten Shanghai.

Jetzt, nach drei Tagen Qingdao geht's per Zug ab zum gastgebenden Botschafts-Informatiker Mao Schui nach Peking. Ab von der Jugi mit Schimmel an den Wänden in ein Apartment im Kempinski.
Mao Schui, Beijing, Kempsinksi, Kulturschock, wir kommen!

PS Was ist Reisen? Ein Ortswechsel? Keineswegs! Beim Reisen wechselt man seine Meinungen und Vorurteile. (Anatole France 19. Jhrt.)
PPS Klar waren wir in der Brauerei - klar haben wir uns durch das Sortiment probiert.