Donnerstag, 28. Juli 2011

Hochgeschwindigkeits Velofahren

Im beschaulichen Hanzhou, also eigentlich hat es 6,2 Millionen Einwohner, geniessen wir zwei Tage im Erholungsgebiet am See. Um zumindest die Gegend um den See erkunden zu können, mieten wir uns zwei Fahrräder. Die Drahtesel sind wahrscheinlich für Leute konzipiert, die etwa zwei Köpfe kleiner sind als wir. Sie verweigern gütigerweise aber auch mit uns die Fahrt nicht. Sehr assimilierungswillig tun wir es den asiatischen Touristen gleich, stemmen die Fahrräder auf den Gehsteig und setzen an zur vollen Fahrt voraus. Tauchen Hindernisse in Form von Fussgängern auf, wird geklingelt was die Klingel hergibt und das "Problem" ist aus dem Weg geschafft. Bei dieser Menge an asiatischen Touristen (Verhältnis asiatische zu westlichen Touristen vielleicht etwa 50:1) will man ja schliesslich nicht als lasch und durchsetzungsunwillig erscheinen.
Im Grossen und Ganzen ist aber alles sehr harmonisch und idyllisch an diesem See.
In einem Buddhistischen Tempel bekommen wir sogar die Möglichkeit, nach unserem Qi zu suchen. Auch die Mönche scheinen damit beschäftigt zu sein, ihre Mitte zu finden, ständig schuften will man jedenfalls nicht. So kann es auch einmal vorkommen, dass im leicht vernachlässigten Teich alle Fische ihre Bäuche an der Oberfläche sonnen und die zwei Schildkröten in die ewige Siesta eintreten. Das Karma kann man ja bei einer anderen Gelegenheit wieder aufpolieren, alles halb so schlimm!
Die Mitarbeiter in unserer Jugendherberge nehmen ihren Job dagegen sehr ernst. Alle sprechen Englisch und sind äusserst hilfsbereit. So telefonieren sie mehrmals zu unserem nächsten Ziel, um eine passende Unterkunft für uns zu reservieren. Reiseplanmässig sind wir zuweilen nämlich etwas verwirrt, ihr wisst schon, die Sache mit der beschränkten Zeit...
Unser antrainierter Reisestil, knapp über die Nasenspitze nach vorne zu schauen, stösst bei engeren Zeitvorgaben zum Teil an seine Grenzen. So sitzen wir am Abend vor der Weiterreise zwei Stunden vor dem chinesischen Zugfahrplan und wiegen die verschiedenen Möglichkeiten ab. Eigentlich hätten wir sehr gerne einen Trip auf den Berg Huangshan gemacht, weil die Bilder davon extrem verführerisch wirkten und uns dies einen Schritt näher an das ländliche China gebracht hätte. Leider sah der Wetterbericht für diese Tage aber stürmischer Regen voraus und da dieser kleine Abstecher insgesamt mit 32 Stunden Zug fahren verbunden gewesen wäre, sagten wir den Trip in letzter Minute ab. Auf dieser Reise höchstwahrscheinlich also nur hoch entwickeltes, städtisches China für uns.
Versteht uns nicht falsch, auch so liegen extrem viele Eindrücke, Überraschungen und Entdeckungen drin!
Nach Hangzhou gehts mit dem Hochgeschwindigkeits-Zug also zurück nach Shanghai, dort sind uns die Wege bereits bekannt und am Nachmittag steht nur das organisieren der weiteren Zugfahrten und der nächsten Jugendherbergen auf dem Programm. (Doch schon drei cm über die Nasenspitze, oder?) 
Das Ticket für den Hochgeschwindigkeits-Zug nach Suzhou ist schnell organisiert und günstig, für die Weiterfahrt nach Qingdao (Tsingtao, Bier!) wollen wir uns aber nicht mit dem Hochgeschwindigkeits-Zug abspeisen lassen. Da wir Geld sparen und Eindrucke dazu gewinnen wollten, haben wir uns das Zugsnummero des normalen Zuges herausgeschrieben. Das Ticket Büro in der Stadt, wollte allerdings nur Tickets für die Hochgeschwindigkeits-Züge verkaufen. Das erscheint uns plausibel und wir ziehen los zum Hauptbahnhof in eine der zahlreichen Warteschlangen. Am Schalter angekommen, wird uns auf einem Zettel die Nummer des Schalters notiert, hinterdem eine Beamtin mit englisch Kenntnissen sitzt. Nochmal anstellen und dann erklären, dass wir keinen G sondern D (normal) Zug wollen. Die Frau erklärt uns dann in drei englischen Wörtern, dass es diesen Zug nicht mehr gäbe. So ganz trauen wir dieser Information zwar nicht, kaufen dann aber schliesslich halt doch wieder Tickets für den Hochgeschweindigkeits-Zug. Reisen wir halt wieder komfortabel und schnell, was solls! ;-)
Schnell und komfortabel eben, unternehmen wir einen Tagesausflug nach Suzhou, dem Venedig des Ostens. Ehrlicherweise muss man sagen, dass von den charakteristischen Kanälen heute nicht mehr all zu viele übrig geblieben sind. Die unter Denkmalschutz stehenden Quartiere mit ihren Kanälen und Gärten laden aber vorzüglich zum Verweilen ein. Man könnte vielleicht sagen, die verbleibenden alten Quartiere seien nur noch Fassade, das tun wir aber nicht und geniessen das gemütliche Flanieren entlang der Kanäle.
Das Durchstreifen der "richtigen" Stadt gefällt uns auch, irgendwie ist alles etwas kleiner und übersichtlicher. Darf man bei 1,6 Millionen Einwohnern überhaupt schon von einer 'Stadt' sprechen? ;-)

PS Jeder Tag ist eine Reise, und die Reise an sich ist das zu hause (Matsuo Basho, 17. Jhrt)

PPS Sandro hat im fernen China erfahren, dass er alle Semesterprüfungen bestanden hat - zum Glück sind wir auf dem Weg in die Bierbrauerstadt Tsingtao! JUHU!

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